Quelle: Neue Deister Zeitung (NDZ) vom 26.November 2004 / Von Dr. Petra Hartmann
26.11.2004: Heute vor 60 Jahren tobte über dem Deister eine der gewaltigsten Luftschlachten des Zweiten Weltkriegs / Erinnerungen
Mit aller Härte warfen die Royal Air Force und die amerikanische Luftwaffe die Brandfackel in das Land des Aggressors zurück: Etwa eine halbe Million Menschen verloren in Deutschland bis 1945 durch Bombenangriffe ihr Leben. Die deutsche Luftwaffe begegnete den anfliegenden Bombergeschwadern mit massivem Einsatz von Jagdfliegern - am 26. November 1944, auf den Tag vor genau 60 Jahren, tobte auch über dem Deister-Süntelgebiet eine verheerende Luftschlacht. Willi Reschke, ein ehemaliger Jagdflieger und Teilnehmer, erinnert sich.
Nettelrede. "Ja, hier ist es." Der Blick des 82-Jährigen schweift über den Acker bei Nettelrede. Klarer, blauer Himmel, gute Sicht, die Landschaft hat sich verändert seit der gewaltigen Luftschlacht. „Da hinten ist Josef Löffler abgestürzt", erinnert sich Willi Reschke an die Kämpfe vor genau 60 Jahren. Der 26. November 1944 - Jagdflieger Reschke hat den Tag noch vor Augen, als sei es gestern gewesen. Die vermutlich größte Luftschlacht des Zweiten Weltkriegs, die auch über dem Deister-Süntelgebiet tobte. „Wir hatten gar nicht damit gerechnet. An dem Tag war schwerer Nebel, wir konnten überhaupt nichts sehen." Doch dann, um 11.40 Uhr, plötzlich der Befehl zum Aufsteigen. Reschke, und mit ihm 39 weitere Flieger und ihre Maschinen, steigen auf. Auch auf den anderen Stationen schrillt der Alarm. 22 Jahre alt, drei Jahre zuvor eingezogen und trotzdem noch nicht einmal ein halbes Jahr „Fronterfahrung": Der Jagdflieger war nach seiner Ausbildung sofort selbst zum Ausbilder ernannt worden, musste junge Männer auf Einsätze vorbereiten, die er selbst nie erlebt hatte. „Ich war verärgert, gedemütigt", gesteht er. „Ich bin immer wieder meinem Staffelkapitän auf die Nerven gegangen, ich wollte an die Front." Ein Wunsch, der ihm erst im Juni 1944 erfüllt wurde, nachdem er aufgrund eines fliegerischen Fehlers seine Messerschmitt beinahe zerlegt hätte. „Sowas darf einem Jagdlehrer nicht passieren."
In Gedanken bei gefallenen Kameraden
Ein junger Mann will an die Front. Nein, von den Schrecken des Krieges, von denen Angehörige anderer Waffengattungen zu berichten haben, ist den Fliegern vieles fremd geblieben. Reschke, der es bis zum Feldwebel und Ritterkreuzträger gebracht hat, blickt über das Feld, über dem einer seiner Kameraden abgestürzt ist. Denkt vielleicht an Werner Raygrotzky, Kurt Gabler und Fritz Brinkmann, die bei Eimbeckhausen starben, an Siegfried Baer, der bei Holtensen vom Himmel fiel, oder an Anton Schmidt, dessen Maschine über Völksen getroffen wurde. Aber noch immer schwingt auch etwas von der Faszination des Luftkampfs in der Stimme des alten Mannes mit. 20 Viermotorige und sieben Jäger heruntergeholt, er selbst wurde achtmal in 53 Einsätzen abgeschossen, das ist seine persönliche Kriegsbilanz. Er war in Stendal stationiert, Pilot des Jagdgeschwaders 301 „Wilde Sau". Je weiter wir nach Westen kamen, desto schöner wurde das Wetter", erinnert er sich. In Braunschweig werden die ersten Pulks der viermotorigen amerikanischen Maschinen gesichtet. Die erste „Feindberührung" bei Gifhorn. Doch auch Misburg, Hannover, Altenbeken, Bückeburg und Stadthagen werden angegriffen. Insgesamt 1137 viermotorige Maschinen der Typen B-24 und B-17 waren in England gestartet, dazu 732 Begleitjäger. Das erste Treffen ging klar an Reschke und seine Kameraden. 40 US-Bomber völlig ohne Begleitschutz kommen plötzlich in Sicht. „Die können ja auch mal Fehler machen", resümiert er. Eine Maschine hat er an dem Tag selbst abgeschossen. Das Fazit jedoch: „Die eigenen Verluste des Jagdgeschwaders 301 lagen so hoch, dass vom verlustreichsten Tag in der Geschichte des Geschwaders gesprochen werden muss", zieht Reschke in seinem Buch (,Jagdgeschwader 301/302 Wilde Sau", Motorbuch-Verlag, 264 Seiten) über seine Fliegerzeit Bilanz. Allein im Raum Hildesheim gab es etwa 40 gefallene und verwundete Piloten. Die Amerikaner hätten den Verlust von 42 Viermotorigen und elf Begleitjägern eingeräumt. Reschke wirft einen letzten Blick auf das Feld. Nächstes Jahr am Himmelfahrtstag wird er sich wieder mit ehemaligen Kameraden der Luftwaffe treffen. Auch viele ehemalige Gegner - Amerikaner, Engländer und Russen kommen regelmäßig zu den Treffen. Die Kameradschaft sei das wichtigste unter Fliegern, sagt Reschke.